Mathematischer Hintergrund der Dynamischen Gleichgewichtsumlegung

Da die Analyse in einem dynamischen Kontext ausgeführt wird, sind die Modellvariablen Ganglinien, die hier als stückweise konstante Funktionen der zeitlichen Variable t dargestellt werden.

Nutzerfahrten im Streckennetz werden mit einem gerichteten Graph G = (N, A) modelliert, wobei N die Menge der Knoten und AN ´ N die Menge der Kanten ist. Jede Strecke, jeder Abbieger und jede Anbindung im Visum-Netz entspricht einer Kante. Jeder Visum-Netzknoten und Bezirk entspricht einem Knoten von G.

Jede Kante a wird definiert durch ihren Anfangsknoten TL(a) und ihren Endknoten HD(a).

Also ergibt sich a = (TL(a), HD(a)).

Beispiel

Im Fall einer Kante a, die eine Strecke im Visum-Netz darstellt, würde TL(a) deren Von-Knoten und HD(a) deren Nach-Knoten entsprechen. Ausgehende und eingehende Kanten des Knoten xN sind angegeben als FS(x) ={aA: x = TL(a)} oder BS(y) = {aA: y = HD(a)}. Die Bezirke bilden eine Teilmenge Z N der Knoten.

Nutzer, die von einem Knoten oN zu einem Knoten dZ fahren, ziehen die Menge Kod aller Wege in Betracht, die o und d auf G verbinden. Im Vordergrund steht das n:1 Kurzwegproblem von jedem Knoten oN zu einem gegebenen Ziel dZ. Es wird davon ausgegangen, dass Graph G stark zusammenhängend ist, sodass Kxd mit xN ≠ dZ nicht leer ist.

Folgende festgelegte Schreibweise beschreibt die Wegetopologie:

A(k) = Folge von Kanten, die den Weg kKod von oN nach dZ festlegt

Für die Netzbelastungen werden folgende Schreibweisen genutzt:

Dod(τ)

Nachfrage von Fahrzeugen, die sich von Quelle oN zu Ziel dZ bewegen und zum Zeitpunkt τ abfahren

fa(τ)

Fluss von Fahrzeugen, die zum Zeitpunkt τ Kante aA befahren

Fa(τ)

kumulierter Fluss von Fahrzeugen, die zum Zeitpunkt τ Kante aA befahren

ua(τ)

Abfluss von Kante aA zum Zeitpunkt τ

Definitionsgemäß gilt Folgendes:

[27]

Für die Netzleistungen werden Reisezeiten durch Zu- und Abflussfunktionen dargestellt und folgende Schreibweisen genutzt:

ca(τ)

Kosten, um Kante aA zu befahren für Fahrzeuge, die zum Zeitpunkt τ auffahren

ta(τ)

Abflusszeit von Kante aA für Fahrzeuge, die zum Zeitpunkt τ auffahren

fa-1(τ)

Zuflusszeit von Kante aA für Fahrzeuge, die die Kante zum Zeitpunkt τ verlassen

Ck(τ)

Kosten von Weg kKod von oN nach dZ für Fahrzeuge, die Knoten o zum Zeitpunkt τ verlassen

Tk(τ)

Abflusszeit von Weg kKod von oN nach dZ für Fahrzeuge, die o zum Zeitpunkt τ verlassen

Da es zeitlich veränderliche Kosten gibt, kann es vorteilhaft sein, an Knoten zu warten, um eine bestimmte Kante zu einem späteren Zeitpunkt zu befahren. Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass Fahrzeuge nicht an Knoten warten dürfen, stattdessen können aber Wege mit Zyklen vorteilhaft erscheinen. Die dynamischen Kurzwege enthalten jedoch höchstens eine endliche Anzahl von Zyklen.

Da das Warten an Knoten nicht zugelassen ist, ist die Reisezeit Tk(τ) eines Weges die Summe der Reisezeiten seiner Kanten A(k), wobei jeweils die zu dem Zeitpunkt gültige Kantenreisezeit verwendet wird, zu dem die Fahrzeuge die Kante erreichen. Gleiches gilt für die Berechnung der Wegekosten Ck(τ) als Summe der Kosten der Kanten A(k). Die Abflusszeit beziehungsweise die Kosten von Weg k können dann über folgende rekursive Gleichungen ermittelt werden:

[28]

[29]

Dabei ist a = (o, x)A die erste Kante von k und hKxd der Rest des Weges k (Abbildung 120).

Abbildung 120: Rekursive Gleichungen der Wegabflusszeit, -zuflusszeit und Kosten

Die strikte FIFO-Regel gilt, wenn folgende Eigenschaft für jede Kante aA erfüllt wird:

, für alle t‘ > t [30]

Die durch [30] ausgedrückte Monotonie garantiert, dass die Ganglinien der Kantenabflusszeit umkehrbar sind. Die FIFO-Regel gilt ferner auch für die Zuflusszeiten.

, für alle t‘ > t [31]

Jede Kante aA besteht aus einer homogenen Verbindung mit zwei Engpässen, die am Anfang und am Ende liegen. Die Belastungen entlang der Kante werden auf der Basis der Vereinfachten Theorie kinematischer Wellen (STKW) und des Fundamentaldiagramms in Abbildung 121 ermittelt und geben die Fahrzeugbelastung qa(x,τ) auf einem bestimmten Abschnitt x der Kante zu einem bestimmten Zeitpunkt t als Funktion der Fahrzeugdichte ka(x,τ) auf demselben Abschnitt zum selben Zeitpunkt wieder.

Die Kante ist dann folgendermaßen gekennzeichnet:

La

Länge der Kante a

Qa

Kapazität des ersten Engpasses und der mit Kante a assoziierten homogenen Verbindung, Eingangskapazität genannt

Sa

Kapazität des letzten mit Kante a assoziierten Engpasses, welche den durchschnittlichen Effekt der Reduzierung der Kapazität an Knotenpunkten simuliert (zum Beispiel durch vorhandene LSA), Ausgangskapazität genannt SaQa;

Va

maximale auf Kante a erlaubte Geschwindigkeit, in Visum üblicherweise v0 genannt

KJa

maximale Dichte auf Kante a, maximale Staudichte genannt

Wa

Fortpflanzungsgeschwindigkeit der überkritischen Belastungen auf Kante a, Stauwellengeschwindigkeit genannt

Vor diesem Hintergrund ist die Eingangskapazität gleich der physikalischen Kapazität auf der freien Strecke, wogegen die Ausgangskapazität gleich der auf Lichtsignalanlagen oder Vorfahrtsregeln beruhenden Engpasskapazität am stromabwärtigen Knotenpunkt ist. Zielanbindungen (x, d)A: xN \ Z, dZ sind Kanten mit unbegrenzter Eingangskapazität, Quellanbindungen (o, y)A: oZ, yN \ Z sind Kanten mit unbegrenzter Ausgangskapazität. Abbieger sind hingegen Kanten der Länge null, deren Eingangskapazitäten und Ausgangskapazitäten gleich sind.

Abbildung 121: Das parabolische Fundamentaldiagramm, das die Relation zwischen Verkehrsstärke, Geschwindigkeit und Dichte entlang einer bestimmten Kante wiedergibt.

In Abbildung 121 muss k2ak1a gelten, was folgende Ungleichung unter den obigen Parametern voraussetzt:

Auf der Basis des Fundamentaldiagramms können zwei Flusszustände unterschieden werden.

  • Unterkritische Flussbedingungen, das heißt nicht überlasteter oder leicht überlasteter Verkehr. Wenn unter diesen Bedingungen die Fahrzeugdichte zunimmt, nimmt auch die Verkehrsstärke zu.
  • Überkritische Flussbedingungen, das heißt stark überlasteter Verkehr. Staus und „Stop and go”-Phänomene kommen vor. Nimmt unter diesen Bedingungen die Fahrzeugdichte weiter zu, so nimmt die Verkehrsstärke ab.

Dann drücken koa(q) und voa(q) die Dichte und die Geschwindigkeit als Funktionen der Belastung unter überkritischen Belastungszuständen aus, während kua(q) und vua(q) der Dichte und Geschwindigkeit als Funktionen der Belastung unter unterkritischen Belastungszuständen entsprechen.

Werden Kanten mit niedrigen Geschwindigkeitsbegrenzungen modelliert, die innerstädtische Strecken darstellen, kann unter unterkritischen Belastungsbedingungen von einer konstanten Fahrzeuggeschwindigkeit ausgegangen werden, die der Geschwindigkeitsbegrenzung entspricht, bis die Kapazität erreicht ist. In diesem Fall kann das in Abbildung 122 dargestellte einfachere trapezförmige Fundamentaldiagramm angewandt werden, wobei folgende Gleichung erfüllt sein muss, damit k2ak1a gilt:

Abbildung 122: Das für innerstädtische Strecken empfohlene trapezförmige Fundamentaldiagramm

Um die vorgeschlagenen Modelle zu implementieren, wird die Analyseperiode [0, Q] in n Zeitintervalle unterteilt, gekennzeichnet durch die Folge der Zeitpunkte τ= {τ0, … , τi, … , τn},wobei τ0 = 0, τi < τj für alle 0 ≤ i < jn, und τn= Q. Für Berechnungszwecke wird zudem ein zusätzlicher Zeitpunkt τn+1= ∞ eingeführt.

Nachfolgend wird die Ganglinie g(τ) jeder Variable entweder über eine stückweise lineare oder eine stückweise konstante Funktion angenähert, definiert durch die Werte gi = g(τi) zu jedem Zeitpunkt τiτ. So kann jede Ganglinie g(τ) über den Vektor g = (g0, … , gi, … , gn) numerisch dargestellt werden.